Die COVID-19 Pandemie treibt viele an die Belastungsgrenze. Innerhalb der Belegschaft bedarf es aufgrund des Infektionsgeschehens nach wie vor einer besonderen gegenseitigen Rücksichtnahme. Das LAG Düsseldorf entschied nun mit Urteil vom 27.04.2021 – 3 Sa 646/20 zu einem Rechtsstreit, dem ein besonders eklatanter Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht zugrunde gelegen haben soll. Streitig war ein Vorfall, bei dem der Arbeitnehmer einen Kollegen aus nächster Nähe vorsätzlich angehustet haben und diesem erklärt haben soll, er hoffe, dass er Corona bekäme. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Das Gericht gab der Kündigungsschutzklage statt, allerdings aufgrund der Tatsache, dass die Beweisaufnahme zulasten der Arbeitgeberin ging:
Die Arbeitgeberin ergriff in Anbetracht der Corona-Pandemie verschiedene Hygienemaßnahmen und gab der Belegschaft die Einhaltung von Sicherheitsabständen vor. Im Verfahren behauptete sie, der Arbeitnehmer habe sich hieran mehrfach nicht gehalten und geäußert, dass er die Vorgaben nicht ernst nehmen werde. Maßgeblich für den Ausspruch der fristlosen Kündigung war sodann ein – im Einzelnen zwischen den Parteien streitiger – Vorfall, in dem der Arbeitnehmer einen Arbeitskollegen vorsätzlich und ohne jegliche Barriere aus nächster Nähe angehustet haben soll. In diesem Zusammenhang soll der Arbeitnehmer zudem geäußert haben, dass er auf eine Erkrankung des Kollegen mit COVID-19 hoffe. Ungeklärt blieb in dem Verfahren, ob der Kläger zum streitgegenständlichen Zeitpunkt selbst mit dem Coronavirus infiziert war. Auch behauptete er, lediglich einen Hustenreiz verspürt und ausreichend Abstand zu seinem Arbeitskollegen eingehalten zu haben.
Das LAG Düsseldorf gab der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers statt, da die durchgeführte Beweisaufnahme zu Lasten der Arbeitgeberin ausfiel. Das Gericht hob allerdings hervor, dass die von der Arbeitgeberin behaupteten Pflichtverstöße, insbesondere ein vorsätzliches Anhusten eines Arbeitskollegen mit Verweis auf eine mögliche Infektion mit dem Coronavirus, grundsätzlich einen die fristlose Kündigung legitimierenden wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darstellen kann. Ein sich so verhaltender Arbeitnehmer verletze in erheblicher Weise die dem Arbeitsverhältnis innewohnende Rücksichtnahmepflicht gegenüber seinen Kollegen. Auch sei nach Auffassung des Gerichts eine Abmahnung entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer unverkennbar deutlich macht, dass er sich an Hygienemaßnahmen nicht halten werde. Die reine Missachtung von Abstandsregeln genügt für den Ausspruch einer Kündigung für sich genommen hingegen nach Einschätzung des LAG Düsseldorf nicht, denn hier sei eine Abmahnung zunächst erforderlich und angemessen.
Die Entscheidung macht deutlich: Selbst wenn eine Infektionsgefahr mangels nachweisbarer COVID-19 Infektion nicht besteht, kann eine gravierende Verletzung der Rücksichtnahmepflichten in Pandemiezeiten eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Arbeitnehmer sind gehalten, Hygienemaßnahmen zu beachten und im Umgang mit Arbeitskollegen erhöhte Rücksichtnahme walten zu lassen. Ein vorsätzliches Missachten der Rücksichtnahmepflichten kann zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.